Rainer Wochele

«Der Lebensberichterstatter»

«Warum Schreiben Sie?» Die Allerweltsfrage beantwortet Rainer Wochele klar: «Um die Wahrheit der inneren menschlichen Kämpfe aufzuspüren»

Es liegt in seinem Naturell neugierig zu sein auf Menschen, sie in den verschiedensten Situationen zu beobachten, sich in sie einzufühlen, nach den Gründen für ihr Verhalten zu forschen, sie wahrzunehmen im Äußeren und Inneren – und später davon zu erzählen. Wie in seinem zuletzt erschienenen Roman mit dem anspielungsreichen Titel “Das Mädchen, der Minister, das Wildschwein”, in dem sich Rainer Wochele kenntnisreich mit einem stets aktuellen Thema auseinander setzt: Wie wirkt sich das “Räderwerk der Macht” auf jene Politiker aus, die sie ausüben? Im konkreten Fall beweist der Autor fast schon ein hellseherisches Gespür: Wie sicher sind die Kernkraftwerke im Südwesten? Beispielsweise in “Fuchsklinge” (Obrigheim oder Philippsburg)?

Wenn Wörter zu Nahrungsmitteln werden

Gewürzt mit bittersüßer Ironie, Sprachwitz und hohem Wiedererkennungswert, zeigt Wochele “Hoppla-jetzt-komm-ich”-Minister oder phrasendreschende Abgeordnete, ohne seine Figuren je zu denunzieren. Sein Interesse “an fremdem Leben” verbindet der 1943 im tschechischen Brünn geborene und nun in Stuttgart lebende Autor mit den Erfahrungen des Flüchtlingskindes, das in einem bayerischen Dorf aufwächst, dabei das verstörende Gefühl des Fremdseins erlebt und dennoch die Nähe zu den “Festverwurzelten” sucht, bei denen er als kleiner Junge ein lebenswerteres Dasein zu erkennen glaubt. Nie vergisst er aus den entbehrungsreichen Nachkriegszeiten das wunderbar-tröstliche Erlebnis, wenn sich der Vater in einen knitzen Geschichtenerfinder verwandelte, “als die Wörter anstelle der fehlenden Kartoffeln zum nahrhaften Lebensmittel wurden, um die Wirklichkeit aushaltbarer zu machen. Ich bin mir sicher, dass hier meine schriftstellerischen Wurzeln sind.”

Das hellwache Beobachten von Menschen hat den Autor nie verlassen, sei es während der Schulzeit, des Studiums (Theaterwissenschaft, Philosophie, Psychologie) oder bei seinen Jobs als Barkellner, Nachtwächter, Brauereiarbeiter, Krankenpfleger, ehrenamtlicher Vorsitzender einer Drogenberatungsstelle, Lagerarbeiter, Telefonist. Zum Beruf wird für ihn schließlich die “alltägliche Lebensberichterstattung” als Lokaljournalist der Stuttgarter Zeitung.

Nach 13 Jahren Redakteursarbeit wagt Wochele 1982 den Schritt in die “Risikoexistenz” des freiberuflichen Schriftstellers, der sich inzwischen mit mehreren Romanen, Erzählbänden und Theaterstücken einen guten Namen erschrieben hat, dafür den Thaddäus-Troll-Preis erhielt und kürzlich ein Stipendium als erster Stadtschreiber von Rottweil. Rainer Wochele hat noch viele literarische Pläne für Geschichten und Romane, um erneut in die Rolle anderer Menschen schlüpfen zu können, “probehalber ein fremdes Leben zu leben: Das ist lustvoll, vielleicht ist es das Schönste am Schreiben.”

Kuno Bärenbold, Schriftsteller in Karlsruhe, in der evangelischen Zeitschrift “standpunkte”

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Rainer Wochele copyright 2004-2011 ff.